Diskussions-Forum Zahnimplantate und Zahnersatz

Leidensgenossin...

newlife
Mitglied seit 28. 10. 2016
10 Beiträge

Ihr Lieben, die so viel durchgemacht habt und durchmacht, ich muss mich jetzt hier zu Wort melden, denn es hilft, zu merken, dass man mit dem Wahnsinn nicht allein ist.

Meine Story ähnelt jener von Agnes, nur hat sie bislang zweieinhalb Jahre gedauert ...ich bin von der gesamten Ärzteschar einer angesehenen Institution zur Simulantin erklärt worden. Das Röntgen war in Ordnung, kein Hinweis auf eine Entzündung...Nach langem habe ich nun einen mutigen Kieferchirurgen gefunden, der mir das fistelnde Implantat entfernt hat. Ich bin noch nicht beschwerdefrei, aber ich hoffe, es wird gut.

Ich muss Agnes in allem beipflichten, sie ist mE in vielen Punkten an der Wahrheit. Ich bin als alleinerziehende Mutter von drei Kindern durch die Hölle spaziert und habe sie immer noch nicht ganz verlassen...

Was mich interessiert:
-Wie habt ihr es geschafft, euch wieder ins Leben zurück zu führen? Was hat euch geholfen?
-Wie lange hattest du, Agnes, Beschwerden nach der Entfernung des Implantats?
Meines ist vor zwei Wochen entfernt worden...Bin einfach nur mehr panisch.

Bin dankbar für dieses Forum und Antworten:-)



Agnes
Mitglied seit 25. 10. 2008
511 Beiträge

hallo newlife,

Als erstes eine Frage: wie ist denn der jetzige Zustand? Um welchen Frontzahn geht es denn? Ein wenig Geduld wirst du noch aufbringen müssen, wenn die Explantation erst vierzehn Tage her ist. Aber nicht verzweifeln, dazu gibt es keinen Grund. Der Situation die Stirn bieten, alles andere bringt keine Vorteile.

Ich hatte noch lange mit der Explantation zu tun. Die Fäden hatte ich, wegen eines erneuten Eingriffs am Gaumen, insgesamt fünf Wochen drin, zwischen 6 Zähne, die sehr zerrten. Die Mundschleimhaut war arg lädiert und sehr empfindlich. Das Taubheitsgefühl und die eisige Kälte in dem Unterkiefer, dort wo die Knochenblöcke für die Transplantation entnommen wurden, wurden so nach 6 Wochen weniger, drei Monate danach war es bis auf einen kleinen Rest verschwunden. Zwei Monate lang durfte ich keine Prothese tragen. Bald aber merkte ich, dass das unerträgliche Pochen in der Nasenöffnung verschwunden war und da stellte sich Erleichterung ein. Hoffnung keimte, der Albtraum, der bis dahin knapp sieben Jahre gedauert hat, näherte sich seinem Ende. Es sollte noch 18 Monate dauern, bis das dritte Implantat für den 11 eingebracht und prothetisch versorgt war. Noch keine einzige Sekunde habe ich die Explantation des zweiten Implantats bereut. Das erste Implantat hatte ich bereits direkt nach der Implantation verloren (Sofortimplantat bei akuter Parodontitis ohne Knochenaufbau und offener Einheilung = absolute Kontraindikation!)

Dankbar war ich dem Chirurgen, der den Eingriff - nach vier ausführlichen Beratungsterminen - gewagt hat. Der Durchmesser des Implantats betrug 5 mm, für den Frontzahnbereich viel zu groß, dadurch war die Explantation ohne Verlust der Nachbarzähne fast unmöglich. Aber es ist gutgegangen. Die Nachbarzähne sind noch drin, sie wackeln nur ein bisschen mehr. Dankbar war ich auch dem „neuen“ Zahnarzt, seinem Team und dem Zahntechniker, die mir geholfen haben. Alles sehr fair, menschlich korrekt und frei von persönlichen wirtschaftlichen Interessen! Es gibt sie, die guten Mediziner, man muss sie nur finden! Dadurch bin ich psychisch auch ganz gut aus der Geschichte rausgekommen. Nun bin ich um eine Erfahrung reicher, die ich weitergeben möchte, um gegen das Unrecht der Vertuschung zu kämpfen. Wenn ein Zahnarzt anhand einer Panoramaschichtaufnahme oder eines Zahnfilms behauptet, dass das Implantat einwandfrei sitze, während der Patient Schmerzen ohne Ende hat, dann geschieht das nur um eine Fehlpositionierung zu vertuschen. Die Aufnahmen werden missbraucht, um dem Patienten Fehlerfreiheit vorzugaukeln.

Geholfen hat mir, die Leidenszeit als „Lebenserfahrung“ zu verbuchen. Mediziner sind aufgrund ihrer Ausbildung nicht zwangsläufig die besseren Menschen, so wie es gerne nach außen kolportiert wird. Patienten setzen häufig voraus, dass sie jede Frage beantworten können und auch wahrheitsgemäß beantworten. Dem ist nicht so. Kritisches Hinterfragen, sich aufbäumen bei Abwimmelung und Erniedrigung ist Pflicht. Das wichtigste: nicht verstummen, sich nicht einschüchtern lassen, sich informieren. Lesen können wir alle! Bei Parodontitis, Zysten, etc. muss die Alveole von entzündetem Knochengewebe gesäubert werden. Dann blutet die Alveole ein, es bildet sich ein sogenanntes Blutkoagel. Daraus entsteht neuer stabiler Knochen. Auch krankes Weichteilgewebe (Zahnfleisch) muss entfernt werden. Die Krankheit muss vollständig ausgeheilt sein, bevor überhaupt an Implantation/Neuimplantation gedacht werden kann. Erst danach Knochenaufbau und nach Ausheilung Implantation. Alles andere ist nichts anderes als das Verkaufen von Risiken auf dem Rücken des Patienten. Es ist sein Geld und seine Gesundheit, die den Bach runtergespült werden. Es wird immer so getan als ob der Patient bei Implantatverlust nicht ordentlich Zähne geputzt hat. Dass der Zahnarzt die erforderlichen Maßnahmen nicht oder mangelhaft durchgeführt hat oder zu risikobereit an die Sache rangegangen ist, wird ausgeklammert.

So, nun hoffe ich, dass ich dich ein bisschen aufgebaut habe. Dass dir der finanzielle Verlust schwer zu schaffen macht, habe ich nicht überhört. Wer da Schuld hat oder ob die Zystenbildung am Implantat "schicksalhaft" (Lieblingsbegriff ;-) der Gutachter!) bedingt war, ist wieder eine anderes Kapitel. Wie war denn die Vorgeschichte?



newlife
Mitglied seit 28. 10. 2016
10 Beiträge

Liebe Agnes,
danke für die ausführlichen Worte...und ich entschuldige mich, dass ich jetzt erst antworte. Ich war länger nicht online.
Ich habe nun mittlerweile vor drei Wochen das Implantat rausoperiert bekommen, die Wunde wurde vernäht, und ich spüre mal mehr, mal weniger in meinem Kiefer. Manchmal pocht es, manchmal drückt es ein wenig, manchmal spüre ich den Knochen in der Nase....
Am meisten macht mir zu schaffen, dass ich nach meiner Leidensgeschichte schon so hypersensiblisiert bin, auf jedes noch so kleine Spüren mit regelrechter Panik reagiere.

Bei mir ist ganz klar, dass übersehen wurde, dass sich kein Knochen gebildet hatte vorne am Implantat und daher die Schmerzen kamen...Mir wurde wiederholt erklärt, es sei alles ok...

Meine Psyche tut sich nach mittlerweile zwei Jahren wirklich schwer, damit umzugehen.

Wo bist du denn her, liebe Agnes?
lg ! newlife



Agnes
Mitglied seit 25. 10. 2008
511 Beiträge

hallo newlife,

Das, was du spürst ist der Heilungsprozess. Vermutlich musste das Implantat, samt Knochenblock in dem es eingewachsen war, entfernt werden. Dann verbleibt ein großes Loch im Kiefer. Der Organismus braucht schon Zeit, bis die Verknöcherung abgeschlossen ist. Das spürt man halt.

Der Körper hat ein „Schmerzgedächtnis“. Wenn man zwei Jahre ununterbrochen unter Schmerzen gelitten hat, dann sind die Schmerzen chronisch geworden. Falls du davon noch nicht gehört hast, dann den Begriff mal googlen. Man bildet sich diesen Schmerz nicht ein, sondern er ist reell. Erst wenn man den Mechanismus, der im Gehirn abläuft, versteht, lernt man damit umzugehen. Wenn das schmerzende Implantat entfernt wurde, muss das Gehirn wieder lernen, den Schmerz zu „vergessen“. Es gibt dazu viele gute Artikel im Internet.

Mit der Vorgeschichte meinte ich, was der Grund für die Zahnextraktion bzw. Zahnverlust gewesen ist. Denn eine Fistel am Implantat bildet sich i. d. R. erst nach Entzündung bzw. nach Wundheilungsstörung. Hier gäbe es zu prüfen, ob seitens des ZA ein zu großes Risiko eingegangen wurde, weil er vor der Implantatsetzung die Beschwerden nicht vollständig abgeklärt hat. Wurde das Implantat gleichzeitig mit der Zahnextraktion gesetzt?



newlife
newlife

Liebe Agnes,
die Vorgeschichte war: Zahnzug - Schleimhauttransplantatation - Knochenaufbau in einem! Schritt, nach drei Monaten Implantatsetzung, die von Beginn an Beschwerden gemacht hat.
Ich bin nur leider nicht ernst genommen worden damit.

Ich wünsche dir einen schönen Sonntag



Agnes
Mitglied seit 25. 10. 2008
511 Beiträge

das sagt leider immer noch nicht viel über die Ursache der Beschwerden VOR der Zahnentfernung aus. Warum wurde eine Zahnfleischtransplantation durchgeführt? War eine Gingivitis im Spiel?

Kaum jemand wird sich ohne Grund einen Frontzahn ziehen lassen, also muss es auch im Knochen oder am Zahn selbst etwas gegeben haben. Wurden vor der Zahnextraktion röntgenologische Aufnahmen gemacht? Wurde Parodontitis/Gingivitis ausgeschlossen?

Wenn keine Infektionsfreiheit der frischen Wunde vorliegt, sollte kein Knochenaufbau vorgenommen werden. Der Knochenaufbau gelingt dann nicht und erhöht das Risiko für Misserfolg. Wenn es direkt nach der Implantatsetzung bereits Beschwerden gegeben hat, dann vermutlich weil sich in den drei Monaten Wartezeit kein stabiler Knochen hat bilden können.

Dass man nicht Ernst genommen wird, dient i.d.R. nur der Vertuschung. Das ist leider bei vielen ZÄ so. Es müsste eine neutrale Stelle geben, an die sich Patienten mit erheblichen Beschwerden nach Implantation wenden könnten, zur "neutralen" Beurteilung ihrer Aufnahmen (Orthopantomogramm und Zahnfilm). Denn es geht immer um die "Interpretation von Details" in Bezug auf eine mögliche Fehlpositionierung und das Fehlen von Knochenanteilen vor, hinter und seitlich des Implantats.

Für alle stillen Mitleser:
Bei Verdacht und anhaltenden Beschwerden immer auf ein DVT bestehen!

Leider kann man hier keine PN austauschen. Solltest du eine Rechtschutzversicherung haben, könntest du - falls die Beweislage es ermöglicht - gerichtlich gegen den Operateur vorgehen.



newlife
Mitglied seit 28. 10. 2016
10 Beiträge

Meine Liebe,

ich bin dankbar, dass es dich gibt, das möchte ich sagen. Es ist schwierig, mit jemandem darüber zu sprechen - keiner hört mehr zu, keiner kann es mehr hören...
Du kennst das ja...

ja, es war schon von Beginn an ein glatter Ärztepfusch - der Zahn wurde nicht rechtzeitig gezogen und war total entzündet, ein Zahnarzt hat gemeint, dass er das Zahnfleich durch eine OP korrigieren möchte, das nur ganz wenig zurück gewichen war.
Drei Tage später lag der Knochen frei.
Die folgende Geschichte kennst du ja. Ein Wahnsinn.

Ich habe so Panik, dass es jetzt immer noch nicht gut wird, dass sich der Knochen innen entzündet...nach der Entfernung, die ja schon durchgeführt wurde.
Wenn ich die Spange herunter nehme, spüre ich auch unten an der Naht eine noch entzündete Stelle.

Ich werde mich an einen Anwalt wenden, und die Geschichte aufsprengen.
Eineinhalb Jahre nicht ernst genommen zu werden ist einfach zu viel.

Ich habe jetzt nur mehr ganz, ganz wenig Knochen. Nach dem Zahnzug wurde ja sofort ein Knochenaufbau gemacht, davon ist sicher nichts mehr übrig...

Mal sehen, wie lange das weiter geht.
Ich habe leider einen sprechenden Beruf, ich unterrichte.
Kannst du mir sagen, wie lang es bei dir gedauert hat, bis du die Schmerzen vergessen konntest?

glg Newlife



Agnes
Mitglied seit 25. 10. 2008
511 Beiträge

Bis ich nicht mehr mit den Schmerzen zu kämpfen hatte, hat es schon einige Monate gedauert. Während der ersten sechs Wochen waren sie permanent präsent. Danach ging es langsam aufwärts. Nach drei Monaten gab es dann die erste Momente, in denen ich nicht mehr ständig damit beschäftigt war. Die Gaumenrekonstruktion hat mich am meisten belastet. Damit habe ich heute noch Probleme . Aber nichts im Vergleich mit dem ständigen Pochen im Kiefer und in der Nasenöffnung, ausgelöst durch die Fehlposition des Implantats. Nach acht Monaten konnte ich die Frontseite des 11 berühren, ohne das ein Druckschmerz auftrat. Erst dann wurde nachimplantiert.

Dass du jetzt noch Schmerzen hast, halte ich für normal. Ob es "nur" Wundschmerzen sind oder ob noch eine Entzündung mit im Spiel ist, kann ich natürlich nicht beurteilen.

Vor dem Gang zum Anwalt solltest du unbedingt prüfen, ob du genügend Beweise hast, um dem Arzt eine Fehlbehandlung nachzuweisen. Die bloße Tatsache, dass sich eine Entzündung eingestellt hat, reicht dafür nicht aus. Das könnte ja "schicksalsbedingt" sein. Ob der Knochen aufgebaut werden darf bei einer akuten Entzündung halte ich zumindest für diskussionswürdig. Wenn aber der Gerichtsgutachter meint, dass laut Unterlagen/Röntgenaufnahmen nichts gegen einen Knochenaufbau zu dem Zeitpunkt gesprochen hat, dann hat man als Kläger ein Problem. Wurde die Entzündung in die Patientenakte eingetragen? Wurden Aufnahmen vor der Zahnextraktion gemacht? Wurden während der Leidenszeit Aufnahmen gemacht? Alles ausreichen lassen.

Sehr infomativ ist das Taschenbuch von der Medizinerin und Rechtsanwältin Britta Konradt "Ärztepfusch - und jetzt".

Alles Gute



newlife
Mitglied seit 28. 10. 2016
10 Beiträge

Meine liebe Agnes,
ich bin so am Ende, ich kann es dir nicht sagen.
Jetzt war ich eine Zeitlang quasi schmerzfrei, und jetzt arbeitet schon wieder der Knochen...die Entfernung ist nun sieben Wochen her...Mich verunsichert, dass du schreibst, der Chirurg hätte auch das entzündete Knochengewebe entfernen sollen. Das ist nämlich nicht passiert. Er hat nur das Implantat entfernt, gespült, zugenäht. Ich hatte aber schon das Gefühl, dass er ein Vollprofi war. Er wusste, was er tut - dieses Gefühl hat er mir vermittelt.

Ich bin alleinerziehende Mutter von drei Kindern, und ich bitte dich von Herzen, hier und da mit mir zu schreiben, damit ich nicht ganz den Mut verliere. Ich habe nur noch Angst, dass das alles niemals ein Ende nimmt.
Ich nehme jetzt vorsorglich nochmal Dalacin C, weil das ein knochengängiges AB ist. Ich hoffe, letztlich wird doch noch alles gut.

Die Taubheit am linken Nasenflügel macht mir auch ein bisschen fertig. Irgendwie fühlt sich alles immer noch dumpf an.

Danke für deine Hilfe



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