CAD/CAM-Workflow statt Abdrucknahme Pro und Contra

Pro & Contra aus der PIP Ausgabe 1/2017

CAD/CAM-Workflow in der Praxisist ein aktuelles Thema, weil es den Umbruch vom Analogen (Abdrucktechnik) zum Digitalen in der Praxis vielleicht am nachhaltigsten verdeutlicht. Noch hinkt das Neue aber ein wenig: viel Raum für Meinungen.

Argumente Pro

Bei den heutigen Punktwerten und gleichzeitig ständig steigenden Kosten muss ich rechts und links schauen, wie ich meine Praxis und meine eigene Arbeitszeit effizienter gestalte. Die Möglichkeit, Zahnersatz über CAD/CAM-Verfahren direkt in meiner Praxis fertigen zu lassen – ob direkt am Stuhl oder
im angeschlossenen eigenen Praxislabor – ist eine gute Option, bisherige externe Leistungen direkt in meine eigene Wertschöpfungskette einzugliedern.

Aber nicht nur der ökonomische Anreiz, auch der Komfort für meine Patienten ist ein großer Vorteil. Die Möglichkeit, sowohl provisorische als auch endgültige Versorgungen in einer Sitzung erledigen zu können, ist besonders für meine beruflich erfolgreichen und damit zahlungskräftigen Patienten ein hoher Anreiz, meiner Praxis treu zu bleiben. Die weniger zahlungskräftige, oft betagte und damit nicht mehr so mobile Patientin freut sich wiederum, wenn wir die Behandlung in einem Termin abschließen können – so etwas spricht sich sofort und schnell herum. Die heutigen Keramikwerkstoffe haben daneben weitestgehend die Kinderkrankheiten und Anfangsprobleme wie z. B. Chipping überwunden, und sowohl ästhetisch als auch aufgrund von möglichen Missbefindlichkeiten wünschen immer mehr Patienten metallfreie, vollkeramische Restaurationen.

Wer seine Praxiskosten und den zu erzielenden Wert der Einzelleistungen im Griff hat, wird auch ganz schnell entdecken, dass sich die finanziellen und technischen Investitionen schnell amortisieren, selbst wenn es beim bisherigen Prothetikvolumen bleiben sollte. Selbst dann verzeichnet man schon eine enorme Zeit- und Materialersparnis. Bei uns hat sich aber ganz schnell eine Steigerung der zu versorgenden Fälle ergeben, weil sich z. B. einige Patienten, die bereits länger über eine Kronenversorgung nachgedacht hatten, mit dem Hinweis auf den nun so zügigen Ablauf schneller dafür entscheiden konnten. Veneers, Einzelkronen, Inlays, Onlays und Schneidekanten erstellen wir inzwischen alle chairside. Der Vorteil gegenüber dem bisherigen Zeit- und Materialaufwand liegt auf der Hand, ist aber auch deutlich messbar.

Dass es der Industrie am liebsten wäre, wenn wir auch noch das kleinste Inlay in ein externes Fräszentrum schicken würden, kann ich mir denken, dann haben sie uns voll an der Nadel. Aber ich scheue allein schon die Tatsache, dass ich der einzige Zeitpuffer bin, wenn eine dorthin vergebene Arbeit vielleicht zu lange in der Post hängt, das Zentrum überlastet ist oder bei denen eine Maschine ausfällt. Mein Patient erwartet Zuverlässigkeit und Termintreue, und die werde dann ich mit meinem Team reinarbeiten müssen. Zudem habe ich mit dem Einrichten des praxisinternen CAD/CAM-Workflows schon einen großen Schritt in Richtung der weiteren Digitalisierung meiner Praxis getan. So machen wir nun auch zunehmend chairside-gescannte Abformungen und schablonengeführte Planungen über Scan und DVT-Match für unsere aufwendigeren Implantatarbeiten. Und die Entwicklung wird sich bei den Materialien ebenso wie den Techniken ganz sicher weiter sehr dynamisch zeigen. Mit unserem in die eigene Praxis integrierten Workflow sind wir dann ganz vorne mit dabei.

Argumente Contra

Das ist mal wieder typisch: Ausgerechnet Zahnärzte, die bisher mangels Planung und Koordination keinen einzigen pannenfreien Ablauf zwischen Praxis und Zahntechniker hinbekommen haben, stürzen sich nun auf den digitalen Workflow in der eigenen Praxis. Als könne das nun auf einen Schlag alles
retten, was in der Praxis bei Organisation und Arbeitsabläufen im Argen liegt.
Leider ist das Gegenteil der Fall: Um die – fraglos gegebene – Zeitersparnis und Effizienzsteigerung eines digitalen Workflows wirklich nutzen zu können, bedarf es gut durchdachter Praxisorganisation und vorausschauender Planungen bis hin zur speziellen Schulung der involvierten Mitarbeiter. Allein: Die Zahntechniker haben sich in Zusammenarbeit mit dem Zahnarzt über Jahrzehnte hinweg die komplexen Metallkeramik-Procedere erarbeitet und Zug um Zug die Fehler ausgemerzt – das lässt sich nun nicht einfach 1:1 auf die Vollkeramik übertragen. Der Zahnarzt muss digital denken lernen. Und angesichts der Tatsache, dass ich dem heute teils mangelhaft kompetenten Hilfspersonal nicht einmal rudimentäre Hygiene-Abläufe beibringen kann, will ich mir deren „Digitalisierung“ lieber nicht vorstellen.

Das Einzelzähnchen mag chairside ja noch gehen – aber die echte Effizienzsteigerung erzielen sie bei mehrgliedrigen Versorgungen, z. B. einer zirkulären, implantatgetragenen Brückenversorgung, bei aufwendigen Arbeitsprozessen wie der Zirkonverarbeitung oder der Herstellung von Steg- und Geschiebearbeiten, und solche Leistungen schafft nur ein kompetentes externes Fräszentrum. Ich will mir auch die Freiheit bewahren, mir je nach Indikation, Spezifikation, Kompetenz und Preis den jeweils besten Partner – ob Labor oder Fräszentrum – aussuchen zu können.

Dass der Zahnarzt, der in der Regel in betriebswirtschaftlichen Belangen eh nicht so beleckt ist, sich ausgerechnet nun einbildet, sich mit einer eigenen Fräsmaschine die komplette Wertschöpfung unter den Nagel reißen zu können, ist auch wieder typisch. Wie viele Kronen er darüber herstellen muss, ehe die Anschaffung sich überhaupt auszahlt, und wie schnell er von der dynamischen technischen Entwicklung dann schon wieder beim eigenen Abschreibungszyklus überklettert wird, bedenkt er dabei nicht – ganz zu schweigen von der Tatsache, dass er für die Zeit, die er für das Einfuchsen in die technisch ja nicht ganz anspruchslosen Geräte und die Neuorganisation seiner Praxisabläufe braucht, besser da bezahlt würde, wo er mit seiner Kernkompetenz hingehört: am Behandlungsstuhl. Im Fräszentrum laufen solche Auftragsvolumina auf, dass die dort beschäftigten Zahntechniker und IT-Spezialisten immer im Job durchtrainiert und sowohl bei den Materialien als auch der Prozesstechnik stets auf der technischen Höhe der Zeit bleiben. Und dort kann man es sich dank des Arbeitsaufkommens auch leisten, mit technischen Verbesserungen bei den Geräten sofort Schritt zu halten, weil sich eine Neuanschaffung schneller amortisiert.

Ich kann jedem Kollegen nur raten, einmal ein solches Fräszentrum in seiner Nähe zu besuchen – danach sollte sich eine gewisse Demut hinsichtlich der eigenen Möglichkeiten und wiederum Faszination angesichts der Leistungsfähigkeit der externen Fertigung von selbst einstellen.

implantate.com-Fazit.

Die Zukunft lässt sich nicht aufhalten, auch wenn das Neue nicht von Anfang an in in allen Belangen überzeugen kann.

 

 

Letzte Aktualisierung am Donnerstag, 12. April 2018