Neues Therapiekonzept zur extremen Oberkieferalveolarfortsatzatrophie
Extreme Atrophiegrade des Oberkiefers sind fast immer die Folge von
frühzeitigem Zahnverlust und langjähriger totalprothetischer
Versorgung. Beide führen schliesslich zu Situationen in denen der
Zahnarzt keine Totalprothese mehr zum Halten bringen kann. Der Patient
ist nicht nur ästhetisch entstellt, sondern hat auch erhebliche
Probleme bei der Nahrungsaufnahme und beim Sprechen. Diese extremen
Atrophiegrade chirurgisch zu therapieren war lange eine der
schwierigsten Aufgaben für die rekonstruktive Mund-, Kiefer- und
Gesichtschirurgie. Mutige aufwendige Operationsmethoden, wie die Le
Fort I Osteotomie mit sandwichartiger Interpositions-Osteoplastik,
waren mit nicht unerheblichen Risiken behaftet.
Auf der diesjährigen Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Mund-
Kiefer- und Gesichtschirurgie stellte Prof. Dr. Dr. Dieter Weingart vom
Klinikum Stuttgart Katharinenhospital, Tagungsleiter bei der
DGZMK-Jahrestagung, nun sein neues Behandlungskonzept vor und konnte
bereits ermutigende Ergebnisse aufzeigen.
Die Stuttgarter gehen behutsam und vorsichtig an die komplexe
Wiederherstellung heran. So wird grundsätzlich zweizeitig vorgegangen
und als Augmentationsmaterial nur der patienteneigene Knochen
verwendet. Auf risikoreichere vertikale Onlayosteoplastiken wird
verzichtet. Das Mass des Erfolges der Methode ist die gelungene
Umsetzung einer zu Beginn genau geplanten prothetischen Rekonstruktion.
Die spätere Implantatposition hat sich ausschliesslich nach der
prothetisch wünschenswerten Pfeilerpositon zu richten. An den
strategisch erforderlichen, wünschenswerten Implantat-Positonen werden
in einem ersten Eingriff Beckenknochen eingebracht, und zwar in
Kombination eines beidseitigen operativen Sinuslift und einer lateralen
Augmentation.
Sechs Monate später werden die Implatate distal der Eckzahnregion
inseriert, da die Augmentation und Implatation im Frontzahnbereich
erhebliche Probleme in der Entwicklungsphase und ästhetische und
funktionelle Probleme in der prothetischen Versorgung dieser Patienten
zur Folge hatte. Drei Monate später können die Implantate dann
prothetisch belastet werden. Die Sicherheit und der vorhersagbare
Erfolg dieses Konzepts belegen Zahlen einer Stuttgarter Studie.
57 konsekutiv behandelte Patienten wurden mit dieser Kombination aus
beidseitiger Sinus-Lift-Operation und lateraler Kieferkammaugmentation
mit autologen Knochenblöcken und Spongiosachips aus der Beckenschaufel
behandelt. Nach einer sechsmonatigen Einheilungsphase wurden insgesamt
284 Titanschrauben-Implantate inseriert. Nach einer dreimonatigen
Osseointegrationsphase wurden die Implantate freigelegt und mit
festsitzenden oder herausnehmbaren Suprakonstruktionen belastet.
Während des gesamten Beobachtungszeitraums kam es zu keinem
Implantatverlust. 3 Implantate zeigten therapierbare periimplantäre
Infektionen. Komplikationen der Spende- und Empfängerregionen waren
gering und hatten keinerlei Auswirkungen auf den klinischen
Behandlungserfolg.
Schlussfolgerung: Dieser neue Therapieansatz der beschriebenen
Kombination der Sinuslift-Operation mit der lateralen Augmentation des
Kieferkammes ist für die Behandlung von Patienten mit hochgradig
atrophischen Oberkiefern in der Hand von gut ausgebildeten und
erfahrenen Chirurgen mit ausreichenden klinischen Möglichkeiten eine
sehr sichere Methode, die gut vorhersagbare klinische Erfolge
ermöglicht.
Quelle: idw

