Nachlese: G
In einer hochwertigen Besetzung und festlicher Atmosphäre fand vom
30.4. bis zum 1.5.2004 in Bremen der Gründungs-Weltkongress der Global
Oral Implant Academy (G•O•I•A) statt. In seiner Eröffnungsansprache
stellte Prof. (NY) Dr. Semmler den internationalen Wissensaustausch als
vorrangiges Ziel der G•O•I•A heraus. Dabei ist G•O•I•A vor allem als
Ergänzung zu bestehenden Organisationsformen und Gesellschaften gedacht
– sowohl im Rahmen der wissenschaftlichen Forschungen und Arbeiten als
auch hinsichtlich der praktischen Umsetzbarkeit.
Durch eine bemerkenswerte Systemneutralität ist G•O•I•A für alle
Anwender offen und bietet die Fortbildungsmöglichkeit bis hin zum
Master Degree.
Prof. Dr. Grafelmann, der Nestor der deutschen Oralen Implantologie und
Ehrenvorsitzender von G•O•I•A, bildete in seiner kurzen Begrüßung den
Werdegang der Implantologie von den deutschen Anfängen bis zum heutigen
Tage ab.
Der fachliche Kongresspart des ersten Tages war den Themen
Implantatoberflächen und beschleunigte Heilung sowie
Augmentationsverfahren und Membrantechniken vorbehalten und wurde von
Prof. Dr. Dr. Gellrich, Universität Freiburg, eingeleitet. In
beeindruckender Weise referierte er über den State of the art der
Augmentationsmethoden am menschlichen Schädel. Darüber hinaus
unterstrich er die Notwendigkeit der dosierten progressiven
funktionellen Belastung, um stärkere Resorptionen zu vermeiden.
Gleichzeitig stellte er die essentielle Bedeutung ausreichender
Vascularisierung der Augmentate heraus. Besonders erwähnenswert sind
die von ihm aufgezeigten Möglichkeiten zur Computerplanung großer
restaurativer Traumaversorgungen und deren operative Umsetzung.
Daran anschließend zeigte Prof. Dr. Dr. Engelke, Universität Göttingen,
in einem didaktisch hervorragend aufgebauten Vortrag die
minivalinvasive, endoskopische Planung und Durchführung von
Sinuselevationen. Sein Hinweis auf die Unmöglichkeit der Kontrolle von
indirektem Sinuslift ohne Endoskop verdient eine angemessene Beachtung.
Seine Salsa-Methode erlaubt in fast allen Fällen eine
„one-step-surgery. In Verbindung mit der TGI (transgingivalen
Implantation) ist darüber hinaus eine periostablösefreie Insertion von
Implantaten möglich. Hier wird der minimalinvasive Gedanke
perfektioniert.
Demgegenüber favorisierte Dr. Dr. Gbara, Universitätsklinikum
Hamburg-Eppendorf, die Knochenentnahme aus anderen Spenderregionen und
berichtete über ausgedehnte Rekonstruktionen – zum Teil mit
Implantatinsertion a priori in autologe Transplantate.
Barry Kyle Bartee, DDS, Universität Texas, unterstrich in seinem
Referat die Notwendigkeit funktioneller Belastung. Um hohe ästhetische
Ergebnisse – auch im Bereich der konventionellen Brückenprothetik – zu
erzielen, unterscheidet er konsequent zwischen Augmentation für den
Alveolarknochenerhalt und der Augmentation im Rahmen der Implantation.
Die Entwicklung neuer Membranmaterialien ohne organische Bestandteile
humaner, boviner, porciner oder equiner Herkunft auf rein synthetischer
Basis und deren differentialdiagnostische Indikation war das aktuelle
Thema seiner Spezialisierung.
Dr. Gehrke, Dentsply Friadent, beschäftigte sich mit dem Problem der
Osseointegration im Zusammenhang mit Knochenheilung und
Implantatoberfläche. Das temporary network von Proteinen, Blutzellen
und Fasernetz ist für den Oberflächenverbund von entscheidender
Bedeutung. Im Sinne einer schnelleren Integration der Implantate ist in
diesem Bereich mit Erfolgen zu rechnen. Laut Dr. Gehrke trägt die
propagierte „Cellplus“-Oberfläche signifikant zur prozentualen Erhöhung
von denjenigen auf der Implantatoberfläche vorhandenen
ausdifferenzierten Osteoblasten bei.
Mit einem Vortrag über Trends und Zukunft der Oberflächen zeigte Prof.
Dr. Dr. Szmukler-Moncler, Universität Paris, einen Rückblick auf die
Oberflächenphilosophie der Jahre 1990-2000, und beleuchtete die
kontrovers geführte Diskussion über Implantatlängen und Heilungszeiten.
Dabei vertritt er den Standpunkt, dass schlechte Knochenqualität und
kurze Implantate das Risiko erhöhen. Raue Oberflächen bedeuten geringen
Stress im Knochen, eine frühere Belastbarkeit und die mögliche
Verwendung kürzerer und durchmesserreduzierter Implantate. Bei
maschinenpolierten Flächen sind dagegen längere Implantate notwendig,
wobei mit unterschiedlichen und längeren Heilungszeiten im UK und OK zu
rechnen ist. Angestrebtes Ziel ist die Verbesserung der
micro-mechanischen Verankerung zwischen Implantat und Knochen.
Dr. Khalid Said, Universität Amman, Jordanien, referierte eingehend
über die Möglichkeiten der CaP-beschichteten
Vakuum-TPS-Implantatoberflächen. Er wies nach, dass die
FBR-Beschichtung der Pitt-Easy-Implantate sowohl die Belastungsqualität
als auch die Belastungszeit nachhaltig positiv beeinflusst. Durch die
bioaktive Beschichtung dieser knochenähnlichen Oberfläche erzielt er
nachweisbar osteoconductive Resultate mit drastisch verkürzten
Einheilzeiten.
Dem gleichen Grundthema widmete sich Dr. Michael Gross aus Bremen.
Dabei beantwortete er die Frage nach den entscheidenden Kriterien für
Belastbarkeit und Belastungsbeginn von Implantaten. Weiter zeigte er
anhand vergleichender Untersuchungen auf, dass moderne Nanostrukturen
erheblich intensivere und multifokale Zellanheftungen mit ausgeprägter
Verankerung von Filopodiae und Lamellopodiae in der Implantatoberfläche
ermöglichen.
Im Anschluss daran erörterte Szmukler-Moncler die Frage hinsichtlich
der Früh- und Sofortbelastung. Er stellte als sinnvoll heraus, bei
Sofortimplantation längere Implantate als bei Spätimplantationen zu
verwenden. Dabei hält er Durchmesser von 3,75 bis 4,0 mm für völlig
ausreichend. Entscheidende Vorteile hat für ihn die bioaktive
Oberfläche FBR und er empfiehlt, diese nur mit Markknochenblut und
nicht mit Kühlflüssigkeit in Kontakt zu bringen.
Zur Frage der Knochenqualität nach Sinusliftaugmentation mit Beta-TCP,
Blut und autologem Knochen hatte Dr. Henriot, Norderstedt, eine
Nachuntersuchung zur Diskussion gestellt. Er konnte nachweisen, dass
sich zwar die Quantität der Augmentate reduziert, aber die Qualität
durch höhere HE-Einheiten um die Implantate im Sinus max. erheblich
zunimmt. Dabei spielt auch das progressive bone loading über temporäre
Kunststoffversorgungen eine entscheidende Rolle. Abschließend
berichtete Henriot über seine Erfahrungen mit gezüchteten bone chips
aus körpereigenen Materialien, die eine große Erfolgssicherheit im
Rahmen der Sinuslifttherapie beinhalten.
Dr. Sheng-Tai, und Dr. Tang-Chou, Taiwan, referierten über die
Möglichkeiten der Beherrschung von Problembereichen und den Einsatz von
bicorticalen, selbstschneidenden Schrauben zur Erzielung guter
Ergebnisse mit einfachen Mitteln. Die Frage der
Knochenlagerverbesserung wurde in den Vorträgen von Dr. Achim Schmidt,
München, und Dr. Hwan Oh, Korea, ausführlich dargestellt. Schmidt
konnte anhand von klinischen Fällen in hoher Qualität demonstrieren,
dass eine optimale Knochenlagerverbesserung zu ästhetisch-funktionellen
Wunschergebnissen führt. Er zeigte aktuelle Möglichkeiten der
Kombinierbarkeit unterschiedlicher Maßnahmen.
Wertvolle Hinweise über die Notwendigkeit bestimmter Parameter zur
Erzielung optimaler, ästhetischer Langzeiterfolge gaben Prof. Dr. Majdi
Sa’adeh, Jordanien, und Prof. Dr. Vivek Shanbhag, Indien. Der
Zusammenhang von Zahnverlust und gesamtkörperlichen Folgen wurde
detailliert herausgearbeitet. Auf großes Interesse stieß auch der
Überblick hinsichtlich der GBR und GTR Maßnahmen mit der Konsequenz
“works good, feels good, looks good“.
In seinem ansprechenden Vortrag gelang Prof. (NY) Dr. Semmler,
Würzburg, unter Einbeziehung der vielfältigsten Prothetikabutments in
seine prothetischen Maßnahmen der Brückenschlag vom einfachen O-Ring
zur kosmetischen Rehabilitation
Den Abschluss des wissenschaftlichen Kongresses gestaltete Prof. Dr.
Grafelmann, Bremen. Neben einem beeindruckenden Rückblick auf über 40
Jahre Implantologietätigkeit formulierte er ein klares Statement:
G•O•I•A wurde für die Verbreitung der strategischen Implantologie, die
Verbesserung der Lebensqualität unserer Patienten und die Forcierung
der postgradualen Ausbildung und Weiterbildung gegründet. Dabei stellte
er dem interessierten Auditorium die aus seiner Sicht notwendigen
Parameter ausführlich vor.
Der wissenschaftliche Kongressteil endete mit der Einladung zum 2.
G•O•I•A-Kongress in Yokohama, Japan (22.-23.10.2005). Neben den
wissenschaftlichen Aktivitäten wurden auch beim gemütlichen Get
Together im Bacchuskeller des Bremer Ratskellersund im Festsaal des
Parkhotels die Möglichkeiten zum kollegialen Wissenstransfer ausgiebig
genutzt. Die interessanten Gespräche wurden von einem wunderschönen
Ambiente und der außergewöhnlichen Bremer Gastfreundschaft begleitet –
und von allen Teilnehmern genossen.
Quelle: Dr. P. Henriot

