Urteil: Parodontitis ist keine Begründung zur Überkronung von gesunden Zähnen


Grob fehlerhafte Leistungen und eine grundlose Überkronung der Frontzähne. So lautet in Kurzform das Gutachten des Sachverständigen, das Anfang des Jahres vor dem Landgericht Bochum vorgestellt wurde. Der Richter verurteilte den behandelnden Zahnarzt zu 6.000 Euro Schmerzensgeld und zu 1.200 Eigenanteilsrückzahlung wegen Schadenersatz.

Die Patientin um die es in dem Urteil geht, litt seit ihrem sechzehnten Lebensjahr an einer chronischen Entzündung des Zahnhalteapparates (Parodontitis), die u.a. zu typischen Symptomen wie leichten Lockerungen und Verschiebungen von Zähnen geführt hatte. Nach ihrer Erstvorstellung beim beklagten Zahnarzt bekam sie den vermeintlich fachkundigen Rat, ihre Frontzähne, einen kleinen Backenzahn im Oberkiefer sowie einen großen Backenzahn im Unterkiefer mit Kronen versorgen zu lassen. Eineinhalb Monate später bereits wurden vier Kronen auf die Oberkieferfrontzähne eingesetzt, ohne dass die eigentlichen Probleme der Patientin kontrolliert bzw. behandelt worden wären. Die Patientin klagte daraufhin, weil sie die Gründe für die Überkronung infrage stellte und sich nicht ordentlich vom Zahnarzt aufgeklärt fühlte.
Der zuständige Sachverständige vor Gericht bestätigte mit seinem Gutachten die Ansicht der Patientin. Die Parodontitis sei keine grundsätzliche Indikation zur Überkronung von Zähnen, folglich sei die Handlung des Zahnarztes an dieser Stelle nicht nachvollziehbar. Es handele sich offenbar auch nicht um Zähne, die durch Lockerungen im Zuge einer Parodontalerkrankung mittels Kronen geschient werden und damit auch kosmetisch korrigiert werden mussten. Offenbar waren die überkronten Zähne gesund und nur wenig gelockert, sodass eine starke Vorschädigung der Zähne nicht vorgelegen haben konnte.
Bei der Prüfung der Röntgenaufnahmen stellte der Sachverständige außerdem einen zusätzlichen Behandlungsfehler fest. Bei zwei überkronten Zähnen waren die Kronenränder nicht lang genug, sodass beschliffene Zahnsubstanz nicht von den Kronen bedeckt war. Diese Randspalten hätten über die Zeit u. U. zu einer Bildung von Karies führen können.

Quelle: Landgericht Bochum, Urteil vom 07. 01.2015, AZ: I-6 O 365/13

Letzte Aktualisierung am Mittwoch, 01. Juli 2015