Mundbewegung fördert Knochenwachstum- Was tut sich zwischen Geburt und Alter?


„Am Anfang war das Weichgewebe. Im Grunde genommen ist der Knochen ein Produkt des Weichgewebes und letztlich bleibt das auch so.“ Mit diesem Statement startete Prof. Dr. Dr. Henning Schliephake/Göttingen seinen Einführungsvortrag bei der 12. BBI-Jahrestagung im Frühjahr in Potsdam, die sich mit der Interaktion von Hart- und Weichgewebe befasste.

„Am Anfang war das Weichgewebe. Im Grunde genommen ist der Knochen ein Produkt des Weichgewebes und letztlich bleibt das auch so.“ Mit diesem Statement startete Prof. Dr. Dr. Henning Schliephake/Göttingen seinen Einführungsvortrag bei der 12. BBI-Jahrestagung im Frühjahr in Potsdam, die sich mit der Interaktion von Hart- und Weichgewebe befasste. Organisator, wissenschaftlicher Leiter der Tagung und BBI-Vorsitzender Prof. Dr. Dr. Volker Strunz hatte 12 hoch renommierte Referenten eingeladen, von denen jeder einen studiengeprägten Vortrag zu Unteraspekten des Tagungsthemas lieferte. Für diese Übersicht über den aktuellen Stand der Hart-/Weichgewebe-Forschung hatte der Eröffnungsvortrag von Prof. Schliephake ein spannendes Fundament gelegt: „Wir werden etwas beleuchten, was bisher nie so richtig klar war, aber immer klarer wird“, hatte er angekündigt.

 

Mundbewegung fördert Knochenbildung

 

Untersuchungen an Mäusen haben bestätigt, so Prof. Schliephake, dass die individuelle Morphologie bereits im Mutterleib angelegt sei – dies werde vermutlich demnächst auch für die Menschen nachgewiesen. Die individuelle Kieferform sei genetisch angelegt ebenso wie der „Auftrag der Natur“, das Wachstum irgendwann einzustellen. Die eigentlich spannenden Dinge liefen im Periost ab, der Knochenhaut als Kontaktbereich zwischen Hart- und Weichgewebe: „In diesem spezialisierten Bereich wird letztlich alles gesteuert, Hauptakteur ist das embryonale Molekül Periostin, das derzeit viel beforscht wird.“ Der Weichteilmantel sorge durch Bewegung für harmonisches Zellwachstum - bei eher gelähmtem Zustand würden weniger Zellen gebildet und in Folge auch weniger Knochen. „Bewegung in der Mundhöhle hat also Einfluss auf die Knochenbildung.“

 

„Knochen überlebt es – oder auch nicht.“

 

Eindeutig sei: „Das Weichgewebe formt das Hartgewebe – der Knochen überlebt es, oder auch nicht.“ Aber auch umgekehrt gebe es Zusammenhänge: „Das Hartgewebe stützt das Weichgewebe – aber das Geheimnis liegt tief verborgen. Man muss sich genau die Strukturen angucken: Ob dünnes oder dickes Gewebe – da liegt der Schlüssel.“ Anders als im Kindes- und frühem Jugendalter sei das Periost keineswegs „die beste Membran“: Wenn GTR geplant sei, müsse so verfahren werden, dass das Periost vom Knochen getrennt werde: „Studien haben gezeigt, dass der direkte Kontakt des Weichgewebes auf die Struktur des Knochens etwas passieren lässt – bei Abdeckung mit einer Membran war das nicht in gleichem Maße der Fall.“ Es gebe ein individuelles Gleichgewicht zwischen Weichgewebe und Hartgewebe; er empfahl, gewonnen Knochen möglichst rasch zu entlasten.

 

Konstant vs. intermittierend

 

„Das Periost unterliegt struktureller Veränderung, eine osteogenetische Leistung findet nicht statt – und deshalb sollten wir bei unseren älteren Patienten auch nicht darauf bauen.“ Auch die Stimulierbarkeit mittels Wachstumsfaktoren nehme ab. Für die Praxis auch relevant: „Konstanter Druck durch eine Prothese zerstört das Gewebe, intermittierende Belastung verträgt der Knochen deutlich besser.“ Auch endokrinologische Faktoren des Patienten wirken sich auf Hart- und Weichgewebezustand aus – dies sei vor allem bei den Patienten in höherem Alter und mit Allgemeinerkrankungen wie Diabetes oder Osteoporose zu beachten und aufgrund der Zunahme der Patienten in diesen Altersklassen ein „zunehmend relevantes Thema.“ Sein Resümee: „Das Karma des Knochens ist, dass er vom Weichgewebe abhängig ist!“

 

Periimplantitis – Prophylaxe & Therapie

 

Unter den vielen praxisrelevanten Beiträgen war auch der Vortrag von PD Dr. Frank Schwarz/Düsseldorf zum Thema Periimplantitis, der auf die Zusammenhänge zwischen Steigerung von Implantationszahlen und Entzündungsfällen verwies. Patienten machten in der Regel den Behandler für ihre Periimplantitis verantwortlich und zeigten „ein hohes Erwartungsverhalten, das Implantat zu behalten.“ Faszinierend sei: „Patienten geben ihre Zähne gern her für ein Implantat – aber das wollen sie nicht wieder hergeben, das war ja auch teuer.“ Während eine chronische Parodontitis heute durchaus vorhersagbare Prognosen ermögliche, sei dies bei der Periimplantitis heute noch nicht der Fall. Relevant sei das Zusammenspiel des Parodonts mit dem Biofilm im transgingivalen Bereich: „Auch wenn es vielleicht hilfreich wäre: Polierte Implantat-Oberflächen haben nicht wirklich einen protektiven Charakter.“ Man müsse heute den bekannten Risikofaktoren mehr Aufmerksamkeit schenken und dies bereits in der Planungsphase, dazu gehöre auch eine ausgeprägte Reinigungsfähigkeit der Versorgung: „Stark strukturierte Oberflächen erleichtern auch die Anlagerung von Biofilm – je rauer, desto schwieriger ist der Bereich zu reinigen.“ In möglicherweise kritischen Fällen riet er zu einer suffizienten Risikodarstellung durch 3 Diagnostik-Säulen: klinische (z.B. Sondierung) und radiologische (z.B. Zahnfilm) sowie primäre (z.B. gentechnische Bestimmung) Diagnostik. Bei der Therapie wies er auf Vor- und Nachteile verschiedener Verfahren hin und hielt fest: „Wir haben Ultraschall, Laser, lokale Antibiose und mehr – aber noch sehr wenige Studien, die uns belegen, was welches Verfahren wirklich nachhaltig leistet und was nicht.“ Für ihn zeige sich aber bisher: „Jede Form der nicht-chirurgischen Therapie reicht nicht für nachhaltigen Erfolg, hier haben wir zu viele Re-Infektionen.“

 

Weitere Veranstaltungen geplant

 

Die Serie der BBI-Fortbildungen, die Prof. Strunz grundsätzlich als Brücke zwischen Forschung und Praxis anlegt, wird am 4. November 2008 in Berlin fortgesetzt mit einem selbstkritischen Lagebericht des DGI-Präsidenten Prof. Dr. Günther Dhom unter dem Motto „Erfolgsfaktoren in der Implantologie: Wollen, Können, Tun!“.

 

Die 13. Jahrestagung des BBI im Mai 2009, für die es jetzt schon viele Anmeldungen gibt, steht unter der Überschrift „Grenzen überwinden / Linking the disciplines“ und findet statt im Zusammenhang mit dem 23. Kongress der DGI in Berlin.

Letzte Aktualisierung am Dienstag, 24. Juni 2008