Soll die ärztliche Zweitmeinung im gesetzlich verankert werden?

Wie kann man als Versicherter sicher sein, dass nur medizinische Eingriffe durchgeführt werden, die tatsächlich medizinisch notwendig sind? Gemäß des aktuellen Referentenentwurfs (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz) sollen Patienten bald gesetzlich verankert Sicherheit bekommen. Mit einem neuen § 27b im seit Februar 2013 in Kraft getretenen Patientenrechtegesetz soll ihnen zukünftig das Recht eingeräumt werden, vor festgelegten Eingriffen eine Zweitmeinung durch einen anderen Arzt einholen zu können.

Die Art der Eingriffe, zu denen eine ärztliche Zweitmeinung eingeholt werden kann, soll vom Gemeinsamen Bundesausschuss vorher genau definiert werden. Doch nicht jeder ist mit diesem Entwurf einverstanden. Das Deutsche Netzwerk Evidenzbasierte Medizin (DNEbM) äußert kritisch, dass § 27b nicht der richtige Ansatz sein könnte, um unnötige Behandlungen und Kosten zu reduzieren.

Der Gesetzgeber hat beim § 27b im Patientenrechtegesetz an konkrete Einzelfälle von Patienten gedacht, bei denen durch die ärztliche Zweitmeinung auf dort nicht unbedingt notwendige Eingriffe – obwohl sie von den Krankenkassen bezahlt werden würden – verzichtet werden könnte. Wichtig dabei ist die genaue Indikationsstellung durch den behandelnden Arzt. Ein weiteres Ziel des Gesetzgebers: Patienten sollen durch die gesetzliche Regelung zur Einholung einer Zweitmeinung souveräner und sicherer gemacht werden. Natürlich spielt bei diesem Referentenentwurf auch die finanzielle Entlastung der gesetzlichen Krankenkassen keine untergeordnete Rolle. Hier wurde schon überschlagen, dass die zusätzlichen Kosten für das Zweitmeinungsverfahren  geringer wären als die durch medizinisch nicht angezeigte operative Eingriffe.

Überlegungen über die Art der Bewertung, Kontrolle, Dokumentation und Umsetzung sowie die dadurch anfallenden Kosten sind noch nicht thematisiert geworden. Doch führt die Einführung der ärztlichen Zweitmeinung an dieser Stelle zum gewünschten Ziel? Das Deutsche Netzwerk Evidenzbasierte Medizin (DNEbM) sieht die Bemühungen des Gesetzgebers kritisch. Ihre Argumentation: Ärzte und Patienten sollten schon in der Erstberatung des Patienten über alle wichtigen und auf besten, aktuellen wissenschaftlichen Grundlagen basierenden (evidenzbasiert) Fachinformationen verfügen, um individuell und patientengerecht über Risiken und Behandlungsmöglichkeiten aufklären zu können. Die Qualität der medizinischen Indikationsstellung und deren alltagstauglich aufbereiteten, wissenschaftlichen Entscheidungsgrundlagen sollte nach Meinung des DNEbM daher verbessert werden. Außerdem sollte immer interessensneutral informiert werden.

Eine ärztliche Zweitmeinung könne keinen Ersatz für eine kompetente ärztliche Erstberatung darstellen, in der nach einer umfassenden, individualisierten, verständlichen und interessensneutralen Information ein Arzt den jeweiligen Patienten im Sinne des Shared Decision Makings in eine Entscheidung einbezieht.
Nach Auffassung des DNEbM sind ärztliche Zweitmeinungen jedoch nicht grundsätzlich unnötig. Ist die Studienlage uneindeutig oder gibt es in der besten wissenschaftlichen Evidenz Interpretationsspielraum, sei sie durchaus sinnvoll. Das Deutsche Netzwerk Evidenzbasierte Medizin ist jedoch der Meinung, dass mit dieser gesetzlich festgelegten Zweitmeinung unnötige Belastungen für Patienten sowie Mehrkosten durch Fehlanreize im Gesundheitswesen nicht reduziert werden können.

Quelle:
Deutsches Netzwerk Evidenzbasierte Medizin e.V.; Prof. Dr. Gabriele Meyer, Dr. Markus Follmann, MPH, MSc

Letzte Aktualisierung am Dienstag, 21. April 2015

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