Diskussions-Forum Zahnimplantate und Zahnersatz

Zahnfleischwachstum nach Knochenaufbau / Offener Knochen

Gereon
Mitglied seit 29. 05. 2010
3 Beiträge

Hilferuf an alle Implantologen, die dies zufällig lesen

Ich bin 39 Jahre alt und habe eigentlich immer eine sehr schnelle, gute Wundheilung. Zur Zeit bin ich aber am Verzweifeln und steh kurz vor dem Nervenzusammenbruch.

Ich habe seit ich 11 Jahre bin im Oberkiefer anstelle des Frontzahns (1er) einen Stiftzahn. Der wurde offensichtlich damals schlampig gemacht, und zwar nicht nur optisch (was ich wusste), sondern bei der Entfernung der Wurzelspitze blieb auch ein Rest zurück. Diese entzündete sich nach knapp 25 Jahren und ich hatte einen Abzess im Zahnfleisch. Mein Zahnarzt (gleichzeitig Implantologe) wollte im Oktober die Wurzelspitze mit einer WSR entfernen, entdeckte dabei einen Eiterkanal und eine madengroßen Zyste im Oberkiefer, dier er entfernte. In die entstandene Höhlung wurde Knochenaufbaumaterial gefüllt, was er sehr gut einheilte. Provisorisch erhielt ich eine Marylinbrücke.

Am 10.05. sollte ich zur Vorbereitung eines Implantats den Knochenaufbau erhalten. Beides gleichzeitig ging nicht. Bei der OP stellte sich heraus, dass sich der Knochen weiter als geschätzt zurückgebildet hatte. Es wurde daher ein relativ großes Stück Knochen eingesetzt. Es handelt sich nicht um einen von mir, von anderer Stelle transplantierten Knochen, aber laut Aussage meines Zahnarztes um einen Humanknochen, auf dem sich auch Immunabwehrzellen ansiedeln können.

Na ja jedenfalls hatte mein Zahnarzt aufgrund der Größe des eingesetzten Knochens offenbar Probleme ihn zu vernähen, was ihm jedoch gelang. Bei den Kontrollbesuchen war auch immer alles in Ordnung. Aber am Mittwoch vor einer Woche stellte er fest, dass eine Naht ganz wenig aufgegangen ist. Vernähen konnte er es nicht ein zweites Mal, weil das Gewebe umher zu weich war.

Am letzten Samstag (22.05.) sagte er mir, dass die Naht weiter aufgegangen ist und er den Knochen wohl wieder entfernen müsste. Er wies auf die Infektionsgefahr hin und dass der Knochen, um einzuwachsen, vom Zahnfleisch voll bedeckt sein müsse. Da ich ihn bat meinem Zahnfleisch noch eine Chance zu geben, kam ich am Dienstag (25.05.) zum nächsten Kontrollbesuch wieder und er war überrascht. Er hat gesagt, dass - verglichen mit einer offenen Schere - von der Seite ein Zahnfleischwachstum zu beobachten sei. Wenn das so weiterwachse, hätten wir gewonnen. Infiziert sei der Knochen definitiv nicht. Er hat dann noch was am Zahnfleich gemacht und festgestellt, dass auch die Ränder alle gut durchblutet sind.

Mein Zahnarzt / Implantologe ist jetzt im Urlaub und seine Vertretung (keine Implantologin), die die Größe der Wunde vorher nicht gesehen hatte, hat mich jetzt zutiefst beunruhigt. Sie hat die offene Stelle gereinigt und mir gezeigt wie groß sie ist. Ca. 6 mm im Quadrat über die vordere Kante des eingesetzten Knochens verteilt. Infiziert ist er gott sei dank immer noch nicht.

Am kommenden Samstag habe ich einen Termin bei meinem Zahnarzt, der vom Urlaub wiederkommt, und dann entscheidet. Ich werde auch machen, was er vorschlägt, da ich ihn für sehr fähig und gut halte und ihm vertraue.

Da ich JETZT hier aber psychisch kurz vor dem Durchdrehen bin und nicht weiß, ob ich überhaupt noch hoffen soll, dass der Knochen in Ruhe zuwachsen kann, habe ich ein paar Fragen an Zahnärzte:

- Wie schnell kann Zahnfleisch über einen Knochen (keine Infektion vorausgesetzt) unter optimalen Bedingungen darüberwachsen (insgesamt und täglich, damit ich ggf. Mitte der Woche im Spiegel vielleich schon etwas sehe)? Können Sie mir hier im Internet zugängliche Quellen nennen?

- Wie kann ich das ggf. noch fördern / pushen?

Ich habe bisher geglaubt, dass Vollmilch (3,5 %) eine tolle Calcium-Spritze für den Knochen ist und habe täglich einen Liter mit dem Strohhalm getrunken. Mein Antibiotikum (Clinda-Saar 600) verträgt sich mit Milch. Die Vertretungszahnärztin hat gemeint, dass ich das ggf. lassen bzw. reduzieren soll, da strittig sei, ob Milch / Milchprodukte die Wundheilung verzögert bzw. verhindert. Das hörte ich zum ersten Mal und rühre selbstverständlich ab heute keinen Tropfen Milchen mehr an, bis entschieden ist, wie es weitergeht.

Desweiteren esse ich nur "weiche" Sachen, d.h. nichts gar nichts bröseliges (kein Brot usw.). Alles was ich esse, versuche ich gleich zu den Backenzähnen zu beförden (Gabel, Finger). Trinken tu ich nur mit Strohhalm. Ich versuche jede Berührung mit dem betroffenen Bereich zu vermeiden.

Ich spüle (kein Schmurgeln im Mund, sondern nur "rumlaufen" lassen, dass es überall hin kommt) nach jeder Mahlzeit mit Chlorhexamed 0,2 forte. D.h. täglich ca. vier Mal.

- Kann das Chlorhexamed das Zahnfleischwachstum negativ beeinflussen?

Außerdem nehme ich seit letzten Samstag Solcoseryl Dental Adhäsivpaste her, die ich schön auf der offenen Stelle verteile, wie es mir der Zahnarzt gezeigt hat. Ich bin mir aber auch da unsicher.

- Kann das Zahnfleisch unter der Paste wachsen? Kommt das Chlorhexamed an die Stellen unter der Paste. Da sich die Paste im Frontzahnbereich sehr lange hält und - wenn ich neue Paste drauftue - die alte Paste nie vollständig weg ist, habe ich Angst, dass die Paste einer Infektion Vorschub leisten könnte.

Außerdem versuche ich alles Reden zu vermeiden. Meine Oberlippe ist wie "versteinert", weil ich befürchte, dass Bewegungen die offene Wunde bzw. das Zahnfleich reizen könnten. Mein Zahnarzt hat mir auch geraten möglichst still zu sein.

Also Sie sehen ich mach mich total verrückt und wäre für jede Antwort auf meine Fragen dankbar. Sofern es nur einen Funken Hoffnung gibt, würde ich den Knochenblock gerne so lange behalten, bis er eingewachsen ist, wenn er sich nicht infiziert.

Mit freundlichen Grüßen & bereits im voraus Danke für Ihre Geduld beim Lesen,
G.



dr.kaizwanzig
Mitglied seit 26. 04. 2008
429 Beiträge

Guten Tag,
ich fürchte, daß es keine Hoffnung auf Rettung des Blockes gibt. Auch das Zahnfleisch wird sich nicht über der Stelle schliessen. Das Problem ist, das der Block im Prinzip totes Material ist, der unbedingt eine gedeckte Einheilung braucht, um teilweise mit lebenden Zellen durchsetzt zu werden. Auch das Zahnfleisch braucht fürs Wachstum eine geeignete Unterlage, die momentan bei Ihnen nicht existiert. Die freiliegende Fläche ist durch die Bakterien in der Mundhöhle kontaminiert, so daß darauf nie im Leben etwas wachsen könnte. Zögern Sie das Unausweichliche nicht unnötig hinaus, da die Situation mit jedem Tag eher schlechter wird. Ich habe mich in einigen meiner früheren Beiträge schon zu Problemen mit Knochenaufbauten geäußert; vielleicht könnte das interessant für Sie sein.
Ich wünsche Ihnen für die Zukunft alles Gute
MfG
Dr. Kai Zwanzig
Spezialist Implantologie



Dr. Dr. B. Zahedi
Mitglied seit 06. 12. 2000
4044 Beiträge

Hallo,
theoretisch kann man Hr. Dr. Zwanzig recht geben. Allerdings kann ich bei Bechwerdefreiheit nicht zu einer Entfernung des Blocks raten. Man wird sicher davon ausgehen müssen, dass der Block nicht in der geplanten Form eingebaut werden wird. Hier werden sicherlich größere Teile verloren gehen. Allerdinsg ist es wahrscheinlich, dass eine Durchbauung zumindest zu einem Teil erfolgen wird und dann nur die nicht verwendbaren Knochenblockanteile abgestossen werden. Danach heilt auch das Zahnfleisch über dem Defekt. Ein Radikalvorgehen wäre ein unnötiges Vorauseilen zum maximalen Misserfolg.
Eine regelmäßige desinfizierende Applikation von CHX-Gel halte ich für sinnvoll.
Gruß
B. Zahedi



dr.kaizwanzig
Mitglied seit 26. 04. 2008
429 Beiträge

Guten Tag Herr Kollege,
ich habe schon zu viele Blöcke der Kollegen entfernt, um Ihre Meinung zu teilen, noch dazu es sich in diesem Falle um einen Humanblock handelt! Und wieso sollte der Patient Beschwerden haben, wenn eine so große Stelle frei liegt? Ich habe immer nur totalen "Matsch" gefunden, Durchbauung null und fast alle waren beschwerdefrei!
Es muss sowie so erneut augmentiert werden, warum also warten? Block raus, gestieltes Bindegewebstransplantat rein und in drei Monaten weitermachen. Ein Vorgehen, wie Sie es beschreiben, kann man präferieren, wenn man Beckenkamm transplantiert hat, der zum größten Teil aus potenter Spongiosa besteht! Und auch da geht das Meiste verloren; bei diesen Humanblöcken ist da kaum eine Chance!
MfG
Dr. Kai Zwanzig
Spezialist Implantologie



Gereon
Mitglied seit 29. 05. 2010
3 Beiträge

Sehr gehrter Herr Dr. Zwanzig,

danke für Ihre Ausführungen.

Heute war ich zwar bei der Stellvertretung meines Zahnarztes, die mir definitiv gesagt hat, dass das Zahnfleisch nicht weiter zurückgegangen ist und im Gegenteil von der Seite her einwächst. Aber auch sie hat gesagt, dass es Wochen dauert, bis der Block vollständig vom Zahnfleisch eingewachsen wäre. Sie hat aber gemeint, dass wir wenigstens noch bis Samstag abwarten sollten (da kommt mein Implantologe wieder).

Ich habe aber nun schon etliche Meinungen von Implantologen gehört, die alle sagen, der Block muss raus. Ich habe mich daher schon fast damit abgefunden und werde es mit meinem Implantologen besprechen.

Ich war heute schon kurz davor, dass ich mir den Block rausmachen lassen wollte. Aber die Vertretung sagte, dass sei noch nicht zwingend erforderlich und sie würde abwarten, ob das Zahnfleisch bis Samstag bis zu einer bestimmten Linie weiterwächst.

Ich bin diesbezüglich Laie und möchte mich wirklich nicht in solche Fachfragen einmischen. Aber zum einen ist es meine Gesundheit. Andererseits möchte ich meinem Zahnarzt und Implantologen nicht "hintergehen", sondern das mit ihm besprechen. Und er ist halt erst am Samstag wieder da. Ich vertraue ihm wirklich und halte ihn für fähig.

Aber ich werde ihm selbstverständlich sagen, dass mir von anderer fachlicher Seite dringendst geraten wurde, den Block zu entfernen und mir die Entscheidung nach seinen evtl. Gegenargumenten vorbehalten (vielleicht sagt er ja selbst sofort: Raus damit!).

Könnten Sie mir diesbezüglich noch einige Fragen zu ihren Ausführungen beantworten?

1. Ich bitte sie mir zu erklären, was Sie damit meinen, dass der Block - gesetzt den Fall er wächst doch noch ein und ist dem Augenschein nach nicht infiziert - Sie später nur noch "Matsch" vorfinden bzw.

2. "die Situation mit jedem Tag schlechter wird".

und

3. Bestehen bei Einwachsen eines infizierten Knochenblocks (nur gesetzt den Fall) weitere Gefahren (z.B. für das umliegende Zahnfleisch, Zähne oder Knochen). Oder muss dann nur der alte "matschige" Knochenblock entfernt werden und der neue eingesetzt werden. Dann wäre wenigstens so viel Zahnfleisch vorhanden, dass der neue problemlos und ohne Spannung zugenäht werden kann (das war jetzt ironisch).

Ich bedanke mich bereits im voraus für Ihre Rückmeldung.

Mit freundlichen Grüßen
G.



gerda260756
Mitglied seit 24. 10. 2008
399 Beiträge

hallo

ich schließe mich der meinung von herrn dr.zwanzig an...das dilema hatte ich obwohl knochen vom beckenkamm entnommen wurde ....diesen knochenaufbau kannste vergessen...versuche es erneut im spätjahr...
und wie herr dr. zwanzig beschreibt ich hatte keine beschwerden...dafür 2 fisteln
und diese sind auf dauer mehr als ungesund..

viel glück

gruß gerda



dr.kaizwanzig
Mitglied seit 26. 04. 2008
429 Beiträge

@ Gereon.

Guten Tag,
ich denke, die Vertretung ist einfach nur froh, daß Sie keine Beschwerden haben, und sie nichts tun muss. So ein Block ist ja auch nicht mal eben wieder entfernt; man braucht dazu den passenden Schraubendreher, um die Verschraubung zu lösen, und den hat nun auch nicht jeder. Zudem würde ich den Block nicht einfach entfernen und das Ganze dann sich selbst überlassen. Wenn wir hier Blöcke entfernen, dann bringen wir grundsätzlich ein gestieltes Bindegewebstransplantat aus dem Gaumen (wenn es im Oberkiefer ist) in die Defektregion ein, um die Heilung zu beschleunigen und vor allem die Weichgewebssituation zu verbessern, die ohnehin schon kompromitiert ist, damit später gefahrlos erneut aufgebaut werden kann. Falsches Weichgewebsmanagement ist sicher die häufigste Ursache für Misserfolge in der Knochenchirurgie!
Natürlich kann bei einem fehlgeschlagenen Knochenaufbau das umliegende Gewebe weiter geschädigt werden; es ist halt nicht normal, das Teile Knochen offen liegen, da die bakterielle Besiedelung in der Mundhöhle extrem hoch ist. Dadurch sterben grosse Teile oder sogar alles ab! Den "Matsch" findet man immer dann, wenn die Anschlussstelle Knochenblock - ortsständiger Knochen keimbesiedelt ist. Dort wächst dann Bindegewebe ein und der Rest Knochenblock wird kontinuierlich zersetzt. Dabei müssen Sie keineswegs Beschwerden haben, da ja eventueller Eiter oder einfach nur die Bakterien über die offene Stelle ständig austreten und sich nirgends stauen können.
Wenn Sie meine früheren Beiträge gelesen haben, dann wissen Sie, daß ich ein Gegner von Knochenblöcken bin. Es gibt in meinen Augen sehr viel elegantere Methoden, um Knochen adäquat aufzubauen (eine genaue Beschreibung würde hier den Rahmen sprengen).
Alles Gute für die Zukunft
MfG
Dr. Kai Zwanzig
Spezialist Implantologie



Gereon
Mitglied seit 29. 05. 2010
3 Beiträge

Sehr geehrter Herr Dr. Zwanzig,

entschuldigen Sie bitte noch eine letzte nervige Frage.

Dient das von Ihnen erwähnte gestielte Bindegewebstransplantat aus dem Gaumen "nur" der Heilung oder auch der Schaffung von Volumen.

Da bei mir sehr viel Knochen aufgebaut wurde und nach Entnahme bei einem neuen Versuch aufgebaut werden muss, habe ich natürlich Angst, dass dann wieder nicht genug Zahnfleisch vorhanden ist, um den großen Block zu verschließen ohne so straff zu vernähen, dass es wieder aufreißen kann. In einem älteren Beitrag von Ihnen wiesen Sie ja darauf hin, dass eine der Hauptursachen des Aufreissens der Naht, dass Verschliessen mit zu viel Zug ist.

Ich weiß zwar, dass der Körper von allein Weichgewebe bildet. Ich mache mir jetzt natürlich Sorgen, dass beim zweiten Versuch alles so kommt wie es jetzt abgelaufen ist. Wie kriegt man also das Volumen mit dem Weichteilmanagement gleich bei der Entnahme hin, d.h. das beim zweiten Versuch genug Zahnfleisch vorhanden ist.

Und was halten Sie von so Methoden wie PRP (Platelet Rich Plasma) oder ATR (Advanced Tissue Regeneration), die - aus dem Blut des Patienten gewonnen - bei (einem zweiten) Versuch die Heilung der Wunde, d.h. das Verwachsen der Nähte beschleunigen sollen. Bis zu Tag 15 nach der OP lief ja bei mir alles glatt und alles blieb zu.

Danke bereits im voraus für Ihre nochmaligen Bemühungen.

Mit freundlichen Grüßen & Danke für Ihre Wünsche,
G.



dr.kaizwanzig
Mitglied seit 26. 04. 2008
429 Beiträge

Guten Tag,
wir verwenden das BGT sowohl zur Deckung des Defektes, als auch zur Volumenvermehrung. Wie Sie ja bereits gelesen haben, ist der spannungsfreie Nahtverschluss das A und O für eine erfolgreiche OP, sonst braucht man gar nicht erst anzufangen.
PRP funktioniert, aber nicht so, wie es mal ursprünglich angedacht war. Es hat nachgewiesen keinen Mehrgewinn in Bezug auf die Heilung des Knochens, wohl aber für beschleunigte Heilung des Weichgewebes. Ich persönlich verwende es daher nicht, da ich auch so keine Probleme nach Operationen habe. Was wir allerdings in einigen Fällen für eine verbesserte Knochenregeneration verwenden, ist ein Stammzellkonzentrat, was wir aus dem Becken gewinnen, wo es, für den Patienten völlig undramatisch und ohne jegliche Komplikationen, mit einer Nadel abgesaugt wird.
MfG
Dr. Kai Zwanzig
Spezialist Implantologie



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