Periimplantitis war „Master-Thema“ bei der Reunion in Berlin


Ist die Periimplantitis ein lösbares Problem? Die Antworten hochkarätiger Experten auf diese Frage hatten am 9. und 10. November 2013 mehr als 120 Master of Science in Oral Implantology aus dem gesamten Bundesgebiet und dem Ausland nach Berlin gelockt. Dort veranstalten die Alumni des postgraduierten Masterstudienganges von DGI und Steinbeis-Hochschule inzwischen traditionell um diese Zeit ihre jährliche Tagung, die „Reunion“. 

Die drei Berliner Masterabsolventen Dr. Derk Siebers MSc, Peter Albrecht MSc und Dr. Jörn Werdelmann MSc hatten beim 7. Treffen der DGI-MOIkaner ein Thema auf die Agenda gesetzt, das nicht nur in Implantologen-Kreisen intensiv diskutiert wird: Periimplantitis. Schließlich steigt die Zahl der gesetzten Implantate seit Jahren kontinuierlich an. Was ist dran an Befürchtungen, auf die Zahnärzte käme ein „Tsunami“ von Periimplantitis-Fällen zu? Welche Möglichkeiten gibt es, um die gefürchtete Entzündung und den Implantatverlust zu vermeiden? Welche therapeutischen Optionen stehen zur Verfügung, um eine Explantation zu verhindern?

Renommierte Referenten. Antworten auf diese Fragen und durchaus auch konträre Standpunkte zum Thema hatten beim Master-Treffen vier renommierte Referenten: Prof. Dr. Eduardo Anitua, Vitoria, PD. Dr. Stefan Fickl, Würzburg, DGI-Vizepräsident Prof. Frank Schwarz, Düsseldorf und Dr. Holger Zipprich, Frankfurt. „Wir wählen die Referenten bewusst so aus, dass unser Themenkomplex möglichst kontrovers beleuchtet wird“, erklärt Dr. Derk Siebers. Hinzu kommt eine weitere Besonderheit des Master-Treffens: Die Referenten haben Zeit, ihre Themen und Botschaften zu erläutern und mit Daten zu untermauern. Schnelldurchgänge im 5-Minuten-Takt gibt es nicht, sondern ausführliche Vorträge von einer Stunde. Allein diese Aufbereitung, die Möglichkeit für Diskurs und Diskussion geben den Treffen ihre ganz besonderes Note. Darum treffen sich in Berlin nicht nur fortbildungsbegeisterte Master, sondern auch Zahnärztinnen und Zahnärzte aus der gesamten Bundesrepublik mit einer Schwäche für spannende Tagungen.

Prof. Frank Schwarz eröffnete seinen ersten von zwei Vorträgen zum Thema „Periimplantäre Infektionen – nicht vermeidbar?“ gleich mit einem Rat: Es sei wichtig, den Status quo zum Zeitpunkt der Eingliederung mit einer Röntgenaufnahme zu dokumentieren. Bei einem Verdacht auf Entzündungsprozesse kann eine erneute radiologische Untersuchung mit der ersten Aufnahme verglichen werden. Gleichwohl betonte der Experte, dass die klinische Untersuchung entscheidend ist. „Ohne klinische Anzeichen einer Entzündung gibt es keinen Grund, die Diagnose nur auf Grundlage einer Transluzenz auf dem Röntgenbild zu stellen.“
Die Patienten über das Risiko aufklären. Zur Prävalenz der Periimplantitis präsentierte Prof. Schwarz mehrere Studien. Diesen zufolge sind 10 Prozent der Implantate und 20 Prozent der Implantatpatienten im Zeitfenster fünf bis zehn Jahre nach der Implantation betroffen, mit einer Periimplantitis muss bei einem von fünf Patienten gerechnet werden. „Es ist wichtig, die Patienten vor der Behandlung über dieses Risiko aufzuklären.“

PD Dr. Stefan Fickl knüpfte an diese Aussagen an: „Wir müssen damit rechnen, dass zehn bis 15 Prozent der Patienten mit schwerer Parodontitis auch eine Periimplantitis entwickeln“, betonte er. Darum sei es wichtig, dass genügend keratinisierte Gingiva verfügbar sei. Wichtig sei auch, Zementreste unbedingt zu entfernen, da diese ebenso wie exponierte Implantatteile eine Adhärenzsstelle für Mikroorganismen darstellten. Zwar gebe es keine Implantatoberfläche, die für Biofilm nicht zugänglich wäre, sagte Prof. Schwarz, doch spiele die Mikro- und Makrostruktur der Implantate durchaus eine Rolle. Auch Restdefekte könnten gefährlich werden – und ihr Management obliege dem Behandler, gab der Experte noch einen medikolegalen Rat.

Vorbeugung ist alternativlos. Die Implantation im parodontal-vorgeschädigten Gebiss erfordert aufgrund der schlechteren Prognose eine perfekte parodontale Vor- und Nachbehandlung, betonte PD Dr. Fickl. Patienten mit Entzündungen des Zahnhalteapparates seien nicht unbedingt „Schlamper“, sondern aufgrund ihrer (genetischen) Risikofaktoren einfach empfänglicher. Darum helfe nur eine engmaschige Überwachung. „Wir können das Risiko gering halten“, so Fickl, „vermeiden können wir es nicht.“ Verschraubte Konstruktionen für Paro-Patienten seien darum „alternativlos“ und die Versorgung müsse gut zu reinigen sein.
Einig waren sich die Experten darum auch beim Thema Vorbeugung. Die kurz UPT genannte unterstützende Parodontaltherapie drei bis viermal pro Jahr sei für eine gute Langzeitprognose entscheidend. „Bei den ersten Anzeichen einer Mukositis kann man durch einen strikten Recall und Kontrolle alle drei bis vier Wochen noch verhindern, dass das Infiltrat das Knochenlager erreicht“, erklärte Prof. Schwarz. Darum gelte es bei einer Mukositis und ersten Blutungen sofort zu handeln.

Prof. Eduardo Anitua beschrieb die Auswirkungen von morphologischen und mechanischen Implantateigenschaften sowie biologisch-chirurgischer Techniken auf periimplantäre Erkrankungen. Er präsentierte von ihm entwickelte und wissenschaftlich dokumentierte Charakteristika der Mikro- und Makromorphologie von Implantaten und schonende biologisch-chirurgische Protokolle. In seinem zweiten Vortrag präsentierte er das von ihm entwickelte BTI Explantationssystem.

Power-Reinigung. Dr. Holger Zipprich war als Elektrotechniker und Materialforscher der „Exot“ unter den Referenten. Er präsentierte einen noch experimentellen Therapieansatz zur Dekontamination der Implantatoberfläche bei Periimplantitiden, Galvo Surge genannt. Wie Filmaufnahmen zeigten, scheint das System in der Lage zu sein, die Implantatoberfläche vollständig zu reinigen. Dies gelingt mit konventionellen Verfahren bislang kaum. Ob Bürsten, Air-Powder, Chlorhexidin, Laser oder Cold Plasma – die makroskopischen Unterschnitte im Gewinde sind kaum zu reinigen und auch die Chemie kann nicht alle Keime abtöten. Bis Ende diesen Jahres sollen die ersten Prototypen verfügbar sein. Dann werden Untersuchungen an Tieren und folgende Patientenstudien zeigen, ob eine Re-Osseointegration nach dieser Reinigungsmethode möglich ist.

Die Behandlung periimplantärer Defekte stand im Mittelpunkt des zweiten Vortrags von PD Dr. Fickl. Patienten mit einem dünnen parodontalen Biotyp zeigen signifikant mehr mukosale Rezessionen um Implantate als Patienten mit einem dicken Biotyp. Eine leichte, entzündungsfreie Rezession in der funktionellen Zone sei kein Grund für eine Intervention, betonte er gleich zu Beginn. Anders ist dies in der ästhetischen Zone. Eine singuläre Rezession bis zwei Millimeter könne aber gut mit einem freien Schleimhauttransplantat versorgt werden, betonte Fickl.

Nicht-chirurgische Verfahren nur zur Vorbehandlung. Bei periimplantären Infektionen seien die nicht-chirurgischen Therapien letztlich nicht effektiv, betonte Prof. Schwarz, die Evidenzlage schwierig. Mechanisches Debridement habe keine klinische Relevanz, die Laserbehandlung funktioniere am Anfang, doch ein Rezidiv binnen acht Monaten sei häufig. Auch die Reinigung mit Airflow, die Photodynamische Therapie sowie die lokale Applikation eines Antibiotikums könnten die Progression oft nicht aufhalten. Gleichwohl müssten die nicht-chirurgischen Methoden jedes weitere Verfahren einleiten, obwohl eine Re-Osseointegration so nicht erreicht werden kann. Nur die offene chirurgische Behandlung, die zwei Wochen nach der nicht-chirurgischen Vorbehandlung folgen sollte, biete Aussicht auf längerfristigen Erfolg. Es sei wichtig, Granulationsgewebe zu entfernen. „Hierbei helfen zunächst oszillierende, danach rotierende Bürsten, die auch den Biofilm reduzieren.“ Müsse augmentiert werden, seien nichtresorbierbare Materialien der Schlüssel bei dieser Indikation. Eine Ultima ratio ist die Implantatplastik. „Denn freiliegende Gewinde sind Plaquefänger“, so Prof. Schwarz. Damit erlischt allerdings die CE-Marke und Herstellergarantie des Implantats. Mit einem Bindegewebstransplantat könne man darüber hinaus dem Rezessionsanstieg entgegenwirken. Es gelte, so der DGI-Vizepräsident, ein Implantat so lange zu erhalten, bis es gelockert sei. Dies sei die einzige Indikation für eine Explantation.

Die 8. Master-Reunion findet am 8.11.2014 in Berlin statt.
Thema:
Timing in der Implantologie.
Referenten:
Dr. Marco Degidi, Bologna,
Dr. Arndt Happe, Münster,
Prof. Dr. Bjarni Pjetursson, Reykjavík
und Dr. Otto Zuhr, München
Mehr Infos: www.masterakademie.de

Letzte Aktualisierung am Freitag, 07. Februar 2014