Der Zahn: Wunder an Stabilität und Flexibilität

Wer im Kindesalter sich die Zähne durch einen Sturz oder ein anderes Trauma verletzt hat, ist sich bewusst, dass menschliche Zähne im Vergleich zu Knochen nicht nachwachsen können. Einen Riss hier, eine Abplatzung da, eine Schlifffacette, was einmal an Zahnhartsubstanz der bleibenden Zähne verloren ist, kann nur beim Zahnarzt wieder mit Ersatz-Zahnmaterial „restauriert“ werden. Bis es jedoch zu einer derartigen Beschädigung kommt, muss Einiges passieren. Denkt man an den Kaudruck, der beim Kauen, Schlucken und beim Essen täglich auf die Zähne einwirkt, muss die Zahnsubstanz eines Menschen enorm widerstandsfähig sein. Warum das so ist, war bis vor kurzem unbekannt. Forscher aus unterschiedlichen Disziplinen der Universitätsmedizin der Charité Berlin konnten mithilfe von hochbrillianter Strahlung von BESSY II nun das Geheimnis lüften.


BESSY II ist eine Synchrotronquelle des Helmholtz-Zentrums Berlin für Materialien und Energie und kann ebenso wie die Synchrotronquelle der ESRF – European Synchrotron Radiation Facility in Grenoble, Strahlung vom Tetrahertz- bis zu Röntgenstrahlen erzeugen. Mithilfe dieser Strahlung waren die Forscher in der Lage Material-inerte Spannungen des Zahnbeins (Dentins) zu analysieren. Im Dentin existiert eine von der Natur gegebene Biostruktur, welche die enorme Druck-, Zug- und Biegefestigkeit des Materials erklärbar macht. Infolge der Einbettung von mineralischen Nanostrukturen in ein dichtes Netz von Kollagenfasern entsteht ein Gebilde, welches beispielsweise bei Feuchtigkeit zusammenschrumpft, indem es die Mineralpartikel in der Größe reduziert. Diese Dynamik ist mit einer Erhöhung der inneren Spannung verbunden, welches die Belastbarkeit des Dentins erhöht. Dank diesen Prinzips bleiben die inneren Bereiche wie der empfindliche Zahnnerv und die Blutgefäße geschützt.
Negative Faktoren für das Dentin sind offenbar Hitze, nach Erhitzen ist seine Belastbarkeit im Vergleich herabgesetzt.
Jean-Baptiste Forien, Erstautor der Studie, denkt, dass Dentin nur bei einem Gleichgewicht zwischen den Spannungen von mineralischen Nanostrukturen und Kollagenfasern dauerhaft belastbar sein kann. Vergleicht man keramische Materialien mit dem natürlichen Dentin und seiner schützenden Biostruktur ist der Unterschied zwischen den Materialien offensichtlich. Dentin agiert scheinbar aktiv auf Belastung und erhöht die Spannung beispielsweise bei Kaudruck. Keramik kann nicht aktiv reagieren und frakturiert bei einwirkendem zu hohen Druck-, Scher- oder Biegekräften des Kauorgans. Dr. Paul Zaslansky vom Julius Wolff Institut der Charité hofft, Forschern aus der dentalen Werkstoffindustrie mit den aus ihrer Studie gewonnenen Erkenntnissen Hinweise liefern zu können, wie man beständigere Materialien für die Restauration von Zähnen entwickeln könnte.


Quelle:
Jean-Baptiste Forien, Claudia Fleck, Peter Cloetens, Georg Duda, Peter Fratzl, Emil Zolotoyabko, Paul Zaslansky. Compressive Residual Strains in Mineral Nanoparticles as a Possible Origin of Enhanced Crack Resistance in Human Tooth Dentin. Nano Letters. 2015 May 29. doi: 10.1021/acs.nanolett.5b00143.

 

Letzte Aktualisierung am Montag, 20. Juli 2015

Aktuelle Implantat-Themen 

Kann ein Zahn noch gerettet werden? 

Noch bevor man über Zahnersatz diskutiert: An der Stelle wo vielleicht ein Implantat hin soll, stand oder steht sogar noch ein Zahn. Wann kann man ihn noch retten, wann ist es für den Zahn zu spät? Damit beschäftigt sich unser Kapitel: Wann muss ein Zahn raus?  Wenn er stark zerstört ist, kann eine Überkronung den Zahn erhalten. Welches Material und welche Technik bei der Kronenversorgung (Vollkeramikkrone, Verblendkrone oder Goldkrone) hat dann welchen Vorteil?